Dies könnte ein ziemlich kurzer Text werden. Nicht, dass in der Sendung „Hart aber fair“ am Montagabend nicht viel über wichtige Themen gesprochen worden wäre. Es sollte schließlich um die Frage gehen, ob im „Kampf um Europa“ ein Sieg der Populisten drohe. Das Problem der Sendung – oder genauer: ihr Hauptproblem – war allerdings, dass bis zu fünf Protagonisten gleichzeitig redeten. Und zwar nicht für zwei, drei Sekunden, bis dann – wie es sonst unter erwachsenen Menschen bewährte Übung ist – wieder nur einer redet und die anderen durch Mimik und Gestik zu verstehen geben, dass sie als die Klügeren oder einfach Höflicheren abwarten, bis sie an der Reihe sind (was übrigens auch noch den Vorteil hat, dass man mit größerer Wahrscheinlichkeit das letzte Wort behält).
So aber war es selbst für Talkshow-Verhältnisse über längere Strecken ein schreckliches Durcheinander. Als Zuhörer verstand man, rein akustisch, mit zunehmender Sendezeit immer weniger. Und ärgerte sich zusehends, dass der Moderator die Sache nicht in den Griff bekam.
Das ist sehr bedauerlich. Im Januar hatte die erste Sendung von „Hart aber fair“ im neuen Gewand Anlass zu den schönsten Hoffnungen gegeben; Klamroth schien sich mit Konzept und Studio-Design endlich von seinem übermächtigen Vorgänger Plasberg befreit zu haben; es war ein unterhaltsamer und lehrreicher Abend, bei dem sich Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft an den beiden Tischen im Studio, die als Teilsegmente eines imaginären Kreises angeordnet sind, gegenübersaßen und von Klamroth geschickt miteinander ins Gespräch über das Thema Protestbewegungen gebracht wurden.
Diesen Auftakterfolg hat Klamroth nicht wiederholen können. Einiges scheint in dieser Sendung grundsätzlich nicht zu passen, sieht man von der oft klugen Themenwahl ab. Womöglich fehlt dem vergleichsweise jungen Moderator die Autorität, um sich gegen schlecht erzogene Gäste durchzusetzen; womöglich ist die Zahl der Gäste zu hoch. Caren Miosga geht interessanterweise den umgekehrten Weg, indem sie einen Gast in den Mittelpunkt stellt und zwei Experten gewissermaßen als Sidekick dazu bittet. Und womöglich ist es doch keine gute Idee, die Gäste Aug’ in Aug’ zu platzieren, jedenfalls dann nicht, wenn, wie an diesem Abend, auf beiden Seiten Politiker Platz nehmen und das als Einladung zur Konfrontation verstehen, bei der ein Moderator nur stört.
Fehler im Konzept
Soweit der Fehler im Konzept. Und dann war da an diesem Abend noch das Problem, dass Klamroth das selbst gesetzte Thema aus dem Blick verlor. Nur sehr kurz ging es um die Frage, woran es liegen könnte, dass die Populisten (ein, nebenbei bemerkt, erst einmal zu definierender Begriff) in vielen Ländern Europas und auch in Deutschland Zulauf haben und zu welchen Konstellationen das nach der Wahl zum Europaparlament führen könnte. Katarina Barley (SPD-Spitzenkandidatin) und Anton Hofreiter (Die Grünen) malten ein düsteres Bild von den sinistren Absichten der italienischen Ministerpräsidentin Meloni; dass diese in der EU eine konstruktive Rolle spielt, konnte sich Barley nur damit erklären, dass es ihr darum gehe, die von Italien dringend benötigten EU-Mittel nicht zu gefährden.
Und auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Spitzenkandidatin bei der Europawahl, echauffierte sich über die offenkundige Absicht Ursula von der Leyens, sich von „den Rechten“ wiederwählen zu lassen. Gordon Repinski, deutsche Stimme im sonst englischsprachigen Springer-Medium „Politico“, versuchte sich in einer Differenzierung von rechten Rechten und linken Rechten, aber dann war schon wieder viel Geschrei.
In einer ruhigeren Passage der Sendung ging es ohne klaren Bezug zur Leitfrage um den Ukraine-Krieg. Und da erfuhr man abermals, dass Hofreiter der Ukraine den Einsatz von Waffen aus westlicher Lieferung auch auf russischem Gebiet erlauben möchte, während Barley den sehr vorsichtigen Kurs ihres Kanzlers unterstützt. Im Übrigen schien Fabio De Masi vom Bündnis Sahra Wagenknecht mit Leif-Erik Holm (AfD) darum zu wetteifern, wer als erster die Linie vom Appeasement gegenüber Putin zum offenen Defätismus überschreiten darf.
Kiesewetters Söhne an die Front
Besonders unappetitlich war De Masis Äußerung, warum der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter nicht seine eigenen Söhne an die Front schicke, wenn er für wehrfähige Ukrainer das Bürgergeld in Deutschland aussetzen möchte. Auch die Zukunft des Verbrennermotors, dessen Ende sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf die Fahnen geschrieben hat (was sich erfahrungsgemäß schnell wieder ändern kann, wenn es um ihren Job geht), war kurz Thema, aber auch das ging weitgehend in Geschrei unter.
Trauriger Höhepunkt einer tristen Sendung war der Moment, als der AfD-Mann Holm von Klamroth mit der Frage konfrontiert wurde, wie er zu den Interviewäußerungen seines Parteifreundes und Europaspitzenkandidaten Maximilian Krah stehe, wonach nicht alle Mitglieder der SS Verbrecher gewesen seien. Es wäre interessant gewesen, Genaueres über Holms Haltung in dieser Sache zu erfahren. Aber als dieser Anstalten machte, mit mehr als einem Satz zu antworten, was ja interessante Rückschlüsse auf seine Geisteshaltung verhieß, unterbrach ihn Klamroth und forderte in richterlichem Duktus ein Bekenntnis, ob er sich nun von den Äußerungen Krahs distanziere oder nicht.
Ausgerechnet der Journalist Repinski sekundierte dem Moderator und stellte seine Empörung über die AfD zur Schau, anstatt mit präzisen Nachfragen in die Bresche zu springen. Damit trug er zu dem Eindruck bei, dass Holm unter lauter Aufgeregten fast besonnen wirkte. Auch eine Leistung.
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