Ein knappes halbes Jahr nach der Parlamentswahl hat sich das konservative Lager in den Niederlanden auf eine Koalition geeinigt. Das Vier-Parteien-Bündnis kündigte eine beispiellos rigorose Ausländerpolitik an sowie sozialpolitisch Schritte, um Bürger zu entlasten. Der Wahlsieger Geert Wilders mit seiner als rechtspopulistisch eingeordneten Partei für die Freiheit (PVV) koaliert mit der liberalen VVD des scheidenden Ministerpräsidenten Mark Rutte, der jungen sozialkonservativen Partei NSC und der Bauernpartei BBB.
„Es werden konkrete Schritte unternommen zu den strengsten Asylregeln, die es je gab, und zum umfangreichsten Paket, um Migration in den Griff zu bekommen“, schreiben die vier Partner in der Koalitionsvereinbarung. Einwanderung war ein beherrschendes Thema im Wahlkampf gewesen – neben „Existenzsicherheit“, also im Kern Lebenshaltungskosten und Kaufkraft.
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Die Koalition ist in mehrerer Hinsicht ungewöhnlich. Wer Ministerpräsident wird, blieb am Donnerstag zunächst offen. Es wird aber weder Wahlsieger Wilders noch eine der Spitzen der anderen drei Parteien. Zuletzt wurde als aussichtsreichster Kandidat ein ehemaliger sozialdemokratischer Bildungs- und Innenminister gehandelt: Ronald Plasterk, der während der Koalitionsverhandlungen schon als Vermittler aufgetreten war. Außerdem ist eine Regierung vereinbart, der neben Berufspolitikern Fachleute angehören. Bis die Riege steht und ihre Arbeit antritt, dürften noch Wochen vergehen.
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Eine deutliche Mehrheit – aber Spannungen
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In ihrer Koalitionsvereinbarung rufen die Parteien eine „Asylkrise“ aus, der sie mit strengen Maßnahmen begegnen wollen. Mit einem „vorübergehenden Asylkrisengesetz“ will die Koalition Notmaßnahmen durchsetzen, will den Asylstatus und Familiennachzug einschränken, ebenso die Sozialhilfen und Vorrechte bei der Vergabe von Sozialwohnungen. Sie behält sich vor, Einwanderungsbestimmungen der EU zu umgehen: „Eine Ausstiegsklausel für die europäische Asyl- und Migrationspolitik wird so schnell wie möglich bei der Europäischen Kommission eingereicht“, steht in dem Papier. Das seit Februar geltende niederländische „Verteilungsgesetz“, das Gemeinden zur Aufnahme von Asylanten notfalls zwingt, soll zurückgezogen werden.
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Daneben will die Regierung die beiden anderen Einwanderungskategorien begrenzen: „Arbeitsmigration“ und den Zustrom ausländischer Studenten. Denn die Niederlande sind – abgesehen vom Inselstaat Malta – das am dichtesten bevölkerte Land in der EU. Die Einwohnerzahl steigt beständig, bezahlbare Wohnungen werden immer rarer, in Metropolen kommen Bürger mancherorts im Restaurant oder Geschäft nur noch mit Englisch durch.
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Die vier Parteien vereinigen in der Zweiten Kammer 88 der 150 Sitze auf sich. Sie haben also einerseits eine deutliche Mehrheit. Andererseits waren die Koalitionsverhandlungen durch Spannungen zwischen führenden Köpfen geprägt. Namentlich hatte der NSC-Gründer und -Fraktionsvorsitzende Pieter Omtzigt Bedenken wegen extremer Ansichten von Wilders, er war zeitweise aus den Gesprächen ausgestiegen.
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Wilders „Eisschrank“ für radikale Positionen
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Bei der Wahl im November war die PVV, deren einziges formelles Mitglied Wilders ist, als stärkste Kraft hervorgegangen. In der kleinteiligen niederländischen Parteienlandschaft reichte dafür knapp ein Viertel der Stimmen, was 37 Sitze einbringt. Das Resultat kam zur allgemeinen Überraschung, auch wenn Wilders in den letzten Tagen des Wahlkampfs in den Umfragen rapide zugelegt hatte. Um sich als regierungsfähig zu präsentieren, hatte er seine radikalen Positionen beispielsweise in Sachen EU und Islam „in den Eisschrank“ gelegt.
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Die Frage war dann, ob die anderen Parteien mit ihm eine Koalition oder eine anders geartete Form der Zusammenarbeit eingehen würden – gegebenenfalls über eine Duldungskonstruktion. Wegen der Vorbehalte gegen ihn erklärte der 60 Jahre alte Politiker sich schließlich bereit, auf das Amt des Regierungschefs zu verzichten – wobei das auch die Spitzen der anderen drei Parteien taten, was half, das Gesicht zu wahren.
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„Die Sonne wird wieder scheinen“
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Die in der Nacht auf Donnerstag veröffentlichte Koalitionsvereinbarung – Motto: „Hoffnung, Mut und Stolz“ – enthält ein umfangreiches Bündel von Ankündigungen über alle politischen und gesellschaftlichen Themen hinweg. Die Koalition will den Wohnungsbau intensivieren, in der Entwicklungshilfe und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sparen, auf den Autobahnen das allgemeine Tempolimit auf 130 Kilometer je Stunde erhöhen („dort, wo es möglich ist“) und die Zwei-Prozent-Norm der NATO erfüllen.
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Sozioökonomisch fallen Positionen auf, die nach dem klassischen Schema eher als „links“ eingeordnet würden. So soll die Selbstbeteiligung an Gesundheitskosten halbiert, die Kaufkraft namentlich mittlerer Einkommen gestärkt werden. Arbeitnehmer sollen mehr Sicherheit erhalten: „Wir streben mehr Festanstellungen für Beschäftigte an“, heißt es in der Vereinbarung. Solche Aspekte stellten Omtzigt und VVD-Parteichefin Dilan Yeşilgöz in den Vordergrund, als am Donnerstagmorgen die vier Verhandlungsführer die Vereinbarung erläuterten – einzeln nacheinander auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. Omtzigt kündigte an, die Unterschiede zwischen den Partnern würden in dieser Koalition stärker hervortreten als gewohnt. Wilders betonte die Asylpläne und wählte zudem pathetische Worte: „Wir schreiben heute Geschichte“, sagte er. Und: „In den Niederlanden wird die Sonne wieder scheinen“.
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Wilders hatte schon einmal eine Rolle in einer Regierung gespielt, als nämlich das erste Kabinett Ruttes, ein Duo aus VVD und Christdemokraten, sich von ihm dulden ließ. Jetzt steht die PVV „im Zentrum der Macht“, wie er sagte. Rutte wiederum verabschiedet sich nach mehr als 13 Jahren und vier von ihm geführten Kabinetten verschiedener Zusammensetzung. Er ist der am längsten regierende Ministerpräsident des Landes, überholte in dieser Hinsicht vor zwei Jahren den Christdemokraten Ruud Lubbers, der von 1982 bis 1994 regierte.
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Die noch geschäftsführend tätige jetzige Kabinett ist eine Neuauflage des dritten Kabinetts: ein heterogenes Bündnis aus VVD, Linksliberalen, Calvinisten und Christdemokraten. Es war wie die Ampel in Deutschland durch Nickeligkeiten geprägt, die zweite Auflage zerbrach im Sommer vergangenen Jahres über Details in der Asylpolitik. Rutte ist nun Kandidat für das Amt des Nato-Generalsekretärs.
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